Wissenswertes über die Sprachen der Welt: Kreolsprachen


 
von Regina Schwojer
Wissenswertes über kreolsprachen Wie die meisten unserer Zeitgenossen sprechen Sie wahrscheinlich relativ gut Englisch. Versuchen Sie Ihr Glück dann doch ein Mal mit dem folgenden Satz:
 
di uol liedi sie, tan! a wa de go hapm?
wilyam sie, wa de go hapm yu wil fain out

 
Nichts verstanden? Vielleicht hilft es Ihnen, sich diesen Satz laut vorzusprechen. Im Standardenglischen bedeutet dieser Ausschnitt soviel wie:
 
The old lady said: „Wait, what is going to happen?“
William said: „You will find out what is going to happen.“

 
Dieses Sprachbeispiel ist in jamaikanischem Kreol verfasst, was uns zur Frage dieses Blogartikels bringt:
Was sind Kreolsprachen und wie sind sie entstanden?
 

Entstehung der Kreolsprachen: Stufe 1 - Pidgin

Entstehung der Kreolsprachen - Pidgin Kreolsprachen werden vor allem in ehemaligen Kolonien gesprochen, was sich durch ihre Entstehungsgeschichte begründet.
 
Im Rahmen der Kolonialisierung wurden Sklaven aus verschiedenen Teilen Afrikas in die neuen Kolonien verschleppt. Die Kommunikation zwischen Kolonialherren und Sklaven, sowie zwischen den Sklaven untereinander war alles andere als einfach. Was geschieht, wenn Menschen kommunizieren müssen, aber nicht dieselbe Sprache sprechen?
 
Die Sklaven verständigten sich mit einer Mischung aus Wörtern aus der Sprache der Kolonialherren und der eigenen Sprache, wobei sämtliche grammatikalischen Strukturen radikal vereinfacht wurden. Es gab weder eine Flexion der Verben (man sagte einfach „ich kommen, du kommen“) noch Pluralendungen (man sagte einfach „ein Baum, zwei Baum“).
 
Diese Sprachstufe, die sehr uneinheitlich ist und keine feste Regeln kennt, nennt man in der Sprachwissenschaft „Pidgin“.
 

Entstehung der Kreolsprachen: Stufe 2 - Kreol

Entstehung der Kreolsprachen - Kreol Aber wie verständigten sich die Kinder dieser Sklaven?
 
Die Kinder dieser Sklaven lernten logischerweise als Muttersprache das Pidgin ihrer Eltern. Die Nachkommen der Pidginsprecher waren mehr oder minder gezwungen, das Pidgin „auszubauen“, also komplexer zu machen, da es für die Zwecke einer Muttersprache viel zu rudimentär war. Diese komplexere und stabile Sprachstufe wird Kreolsprache genannt.
 
Die eben vorgestellte Erklärung versucht der Tatsache gerecht zu werden, dass sich an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten Kreolsprachen entwickelt haben. Es gibt jedoch auch die These, dass sich alle Kreolsprachen aus einer lingua franca des Mittelmeers entwickelt haben.
 
Man kann also allgemein festhalten, dass Kreolsprachen immer in einer Kontaktsituation zwischen zwei Sprachen entstehen, wovon eine meist die Sprache der Kolonialherren und eine die ursprüngliche Sprache der Sklaven ist. Der Großteil des Vokabulars stammt in der Regel aus der Sprache der Kolonialherren, wohingegen die innere grammatische Logik der Kreolsprachen eher der der „unterlegenen“ Sprache entspricht.
 

Klassifikation und Status der Kreolsprachen

Man teilt Kreolsprachen meist nach der europäischen Sprache ein, auf welcher sie basieren. Somit gibt es französisch-, englisch-, portugiesisch-, spanisch-, und niederländischbasierte Kreolsprachen. Inwiefern die Kreolsprachen jedoch zur jeweiligen europäischen Basissprache gezählt werden können ist jedoch schwer zu sagen.
 
Dagegen spricht, dass zum Beispiel französische Kreolsprachen für französische Muttersprachler nicht verständlich sind und somit der Abstand zwischen der Kreol- und der Basissprache zu groß ist, als dass sie noch als Varietäten der selben Sprache gelten könnten. Andererseits haben die Kreolsprecher oft das Bewusstsein, dass sie sehr wohl eine Form des Französischen sprechen.
 
Somit gestaltet es sich schwierig, den Status der Kreolsprachen zu bestimmen. Sind die Kreolsprachen nur ein Dialekt der Standardsprache oder tatsächlich eigenständige Sprachen? Haben sie den Status einer offiziellen Amtssprache oder sind sie dem umgangssprachlichen Bereich vorbehalten?
 
Lange Zeit wurden die Kreolsprachen lediglich als „verdorbene“ oder „verkommene“ Versionen des europäischen Standards angesehen, und auch die Forschung interessierte sich herzlich wenig für die Kreolsprachen.
 

Veränderte Wertschätzung der Kreolsprachen

Kreolsprachen Im Zuge der Dekolonialisierung gewannen die ehemaligen Kolonien an Selbstbewusstsein und fassten ihre Kreolsprachen somit mehr und mehr als eigenständige Sprachen mit eigenen Regeln auf. In manchen Staaten hat die örtliche Kreolsprache sogar den Status der Amtssprache erhalten und somit die Funktion der Sprache der ehemaligen Kolonialherren übernommen.
 
Sogar mehr und mehr Literaten verwenden das Kreol für ihre Romane oder Gedichte; ein schönes Beispiel ist der Roman „Die Farbe Lila“, welcher großteils aus dem Blickwinkel der Afroamerikanerin Celie erzählt wird und somit im „Black English“ verfasst ist.
 

Haben Sie Lust bekommen mehr kreolische Sprach-Luft zu schnuppern?

Im Web findet man zum Beispiel sehr viel Material zu Papiamentu, einem Extremfall der Kreolsprachen, welche sowohl spanische, portugiesische, englische als auch niederländische sowie afrikanische und Arawak- Einflüsse aufweist.
 
Stöbern Sie doch zum Beispiel in der Papiamentu-Version von Wikipedia, oder lesen Sie einen Auszug aus der Bibel auf Papiamentu.
 
Oder hätten Sie Lust sich auf Jamaika versetzen zu lassen?
Schauen Sie sich folgendes Youtube-Video an: Wir garantieren Urlaubsgefühl, aber seien Sie nicht enttäuscht wenn Sie nicht allzu viel verstehen.
Falls Sie es etwas ernsthafter mögen und mehr über die „Jumieka Langwij“ (Jamaican Language) erfahren wollen, stöbern Sie diese zweisprachige Seite durch. Diese Seite ist besonders interessant, da sie aus der Sicht von Jamaikanern und nicht aus der Sicht von Linguisten geschrieben wurde.
 
Wiederum ein Tipp zum besseren Verständnis: Da die Rechtschreibung nicht so festgelegt ist, versteht man im Kreol verfasste Texte viel besser, wenn man sie sich laut vorspricht.
 

 
 

Über die Autorin

Regina Schwojer ist Werkstudentin bei Sprachenlernen24.
Sie hat einen Spezialwortschatz für Au-pairs entwickelt und widmet sich neben Korrekturen und redaktionellen Tätigkeiten der Erarbeitung der Grammatiken zusammen mit den jeweiligen Muttersprachlern. Bisher hat Regina die Grammatiken des Rumänischen, des Finnischen, des Italienischen und des Spanischen mitentwickelt.
 
Seit April 2008 studiert Regina Anglistik, Italianistik und die Didaktik des Deutschen als Fremdsprache an der LMU München. Im Rahmen ihres Studiums beschäftigt sie sich am liebsten mit Literatur. Sie möchte auch in Zukunft im großen und spannenden Tätigkeitsbereich der Sprachvermittlung bleiben.
 
Auch in ihrer Freizeit lernt Regina gerne Sprachen: Sie spricht mit großer Begeisterung Spanisch und Niederländisch, sodass sie es (wenn man ihre passiven Bairischkenntnisse und das Französisch aus der Schulzeit außen vor lässt) auf fünf Sprachen bringt.
 
Regina reist viel und hat schon mehrmals längere Zeit im Ausland verbracht. Sie spielt Gitarre und tanzt alles von Standard über Zumba bis Salsa. Regina geht gerne laufen, schwimmen und radeln und hat sich vorgenommen, irgendwann an einem richtigen Triathlon teilzunehmen.
 

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