von Konstanze Fassbinder
Nachdem wir in unseren letzten beiden Artikeln die großen Sprachfamilien
Asiens
und
Afrikas
genauer betrachtet haben,
widmen wir uns nun den noch verbliebenen Sprachräumen der Erde, nämlich dem pazifischen Raum und dem amerikanischen Kontinent.
Die austronesischen Sprachen des pazifischen Raumes
Die Sprachen der pazifischen Welt - von Madagaskar im Westen bis zur Osterinsel im Osten -
gehören erstaunlicherweise bis auf die Ausnahmen, Australien und Teile Neuguineas, fast alle der austronesischen Sprachfamilie an.
Wegen ihrer Ausdehnung und der Anzahl ihrer Sprecher wird sie auch austronesische „Makro-“ oder „Superfamilie“ genannt.
Diese Sprachfamilie umfasst über 1200 Sprachen, wobei die Schätzungen der Forscher hier sehr stark variieren.
Circa 300 Millionen Menschen sprechen eine der austronesischen Sprachen.
Insgesamt gibt es 28 austronesische Sprachen, die von mehr als einer Million Sprecher gesprochen werden. Davon leben allein
zehn Millionen auf den Philippinen, 17 Millionen in Malaysia und Indonesien und eine Million auf Madagaskar.
Die Verteilung der Sprecher in der austronesischen Familie ist allerdings äußerst ungleich,
es herrscht ein starkes Gefälle von West nach Ost.
Von Madagaskar bis zu einer in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Trennlinie im westlichen Neuguinea
erstreckt sich der westaustronesische Teil der Sprachfamilie.
Die Gebiete hier sind dicht besiedelt und es gibt somit viele Muttersprachler. In diesem
Bereich sind die größten gesprochenen Sprachen Indonesisch, Malaysisch, Javanisch und Philippinisch.
Der ostaustronesische Teil der Familie ist geografisch gesehen viel größer.
Er umfasst die ganze pazifische Inselwelt, also den nördlichen Teil Mikronesiens, Melanesien mit den Fidschi-Inseln,
den Salomonen und Neuguinea und Polynesien bestehend aus Hawaii, Samoa, Neuseeland und der Osterinsel. Es gibt
hier eine unglaubliche Fülle an Sprachen, die aber oftmals nur von wenigen Menschen gesprochen werden. Auch ist die
Bevölkerungszahl insgesamt im ostaustronesischen Gebiet weitaus geringer.
Die indianischen Sprachen Amerikas
Die Sprachen des amerikanischen Doppelkontinents, die hier aufgeführt werden sollen,
sind in den meisten Fällen nicht jene, die man heute dort spricht.
Wir betrachten vielmehr diejenigen Sprachen, die vor der europäischen Besiedlung seit Kolumbus 1492 dort existierten.
Viele dieser Sprachen existieren heute nicht mehr oder sind von Aussterben bedroht. Leider ist nur ein kleiner Teil von
ihnen am Leben geblieben.
Bis auf die Inuit-Sprachen im Norden, handelt es sich ausschließlich um indianische Sprachen.
Die Indianer stammen ursprünglich von Einwanderern mongolischen Ursprungs ab, die vor 30.000 Jahren von Asien über Alaska nach Amerika kamen.
In Zentral- und Südamerika entstanden die bekannten Hochkulturen der Maya, Azteken und Inkas.
Trotz des gemeinsamen Ursprungs der Stämme entwickelten sich ihre Sprachen weit auseinander,
so dass die Rekonstruktion einer gemeinsamen, hypothetischen Ausgangssprache kaum möglich ist. Grund dafür ist,
dass die Einwanderer über die Jahrtausende nach und nach kamen und sich auch geografisch teilweise sehr isoliert entwickelten.
Als die ersten Europäer Amerika entdeckten,
sollen Schätzungen zufolge rund 15 bis 20 Millionen Menschen auf dem offensichtlich nur äußerst dünn besiedelten Doppelkontinent gelebt haben.
Die Anzahl der gesprochenen Sprachen hingegen war im Vergleich zu heute immens:
So soll es etwa 24 Inuit-Sprachen gegeben haben, 350 Sprachen nordamerikanischer Indianer,
100 Sprachen in Mexiko und Mittelamerika und - halten Sie sich fest - rund 800 verschiedene Sprachen in Südamerika und auf den Antillen!
Insgesamt macht das rund 1250 indianische Sprachen, die rein äußerlich nach den genannten Großräumen eingeteilt werden.
Auch hier gehen die Meinungen in der Sprachwissenschaft auseinander:
Es gibt Ansichten, nach denen es sich um ungefähr 150 Sprachfamilien gehandelt haben muss,
innerhalb derer die Sprachen genetisch verwandt waren. Dies alles sind jedoch wage Vermutungen,
da manche dieser Sprachen nicht nur unerforscht,
sondern auch unbekannt sind. Außerdem werden viele der noch existierenden Sprachen nur noch von wenigen 1000 Sprechern gesprochen und sind
vom Aussterben bedroht.